Woke Washing – Definition
Im Zuge des Aufstiegs des Corporate Purpose-Begriffs (Unternehmenssinn, der über Profit hinausgeht), hat sich auch der Begriff Woke Washing etabliert. Woke Washing liegt vor, wenn Unternehmen, mithilfe von Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen, ihre Unterstützung für soziale Gerechtigkeit, Vielfalt und Gleichheit und gegen sexistische, rassistische und soziale Diskriminierung sowie politische Missstände kommunizieren – dies aber nicht mit den Zielen, Werten oder Handlungen des Unternehmens übereinstimmt. Beim Woke Washing liegt also eine Diskrepanz zwischen Worten und Taten vor.
➜ Woke Washing steht damit dem echten Markenaktivismus gegenüber und ist das Gegenteil von authentisch gelebtem Unternehmenspurpose.
Woke Bedeutung – Ursprung von Woke Washing
„Woke“ ist ein englisches Adjektiv und kann mit „wach“ oder „wachsam“ übersetzt werden. Laut dem Duden bedeutet woke:
„in hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“
Ursprünglich wurde der Begriff von afro-amerikanischen Aktivisten und Aktivistinnen Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA verwendet, um dazu aufzurufen, „wachsam“ gegenüber Rassismus und Diskriminierung zu sein. In den letzten Jahren wurde der Ausdruck dann auch übernommen, um auf weitere soziale und politische Missstände hinzuweisen. „Woke“ sein bedeutet demnach ein Bewusstsein für gesellschaftspolitische Sachverhalte und soziale Ungerechtigkeit zu besitzen.
Kritik am Woke Aktivismus
In den letzten Jahren wurde der Begriff „woke“ besonders auf Social Media geprägt. Hier versuchten Influencer bzw. Influencerinnen mithilfe von Hashtags wie #woke oder #staywoke auf politische und soziale Missstände aufmerksam zu machen. Dadurch wurde der Begriff negativ besetzt und der Aktivismus kritisiert. Es schien nämlich eher so, als läge der Fokus darauf andere in Social Media Posts an den Pranger zu stellen, als wirklich lösungsorientiert an die eigentlichen Probleme heranzugehen.
➜ Der ehemalige US-Präsident Barack Obama forderte Aktivistinnen und Aktivisten deshalb zum Beispiel dazu auf weniger woke zu sein.
Unternehmen denen Woke Washing unterstellt wird – Beispiele
Es gibt viele Beispiele, was Woke Washing von Unternehmen oder Organisationen angeht. Typische sozialpolitische Themen zu denen Unternehmen Stellung beziehen sind unter anderem LGBTQIA-Rechte, Black Lives Matter, Me too und Geschlechtergerechtigkeit. Im folgenden gehen wir auf zwei Unternehmen ein, denen man Woke Washing unterstellen könnte. Dabei gehen wir bei jedem Unternehmen auf einen konkreten Sachverhalt ein.
Black Lives Matter und Pepsi
Für den Versuch, ein jugendliches Publikum mit einem Werbespot zu erreichen, in dem sie angeblich die „Black Lives Matter“-Bewegung ausnutzten, wurde das Unternehmen Pepsi im Jahr 2017 stark kritisiert. In dem Werbefilm wirkte auch Reality-TV-Star Kendall Jenner mit: In dem Spot scheint sie einen Protest zu beenden, indem sie ein Pepsi-Getränk teilt.
Wieso könnte man das als Woke Washing interpretieren? Kritiker sagen vor allem, dass Pepsi keine entsprechenden Werte oder Geschichte sozialer Unternehmenspraktiken zur Unterstützung von Black Lives Matter Anliegen vorzuweisen habe (und auch sonst keine Geschichte von Markenaktivismus für andere soziale oder politische Themen). Deshalb wurde diese stark aktivistische Botschaft als Heuchelei wahrgenommen. Die Marke wurde online für ihr unauthentisches Vorgehen stark kritisiert und letztendlich wurde der Werbespot von Pepsi zurückgezogen.
Weltfrauentag und Shein
Frauen spielen eine entscheidende Rolle in der globalen Wertschöpfungskette des Textilsektors. Laut dem Textilbündnis, machen sie schätzungsweise 70 Prozent der 60 Millionen Beschäftigten im Textilsektor weltweit aus und sind somit übermäßig von den oftmals schlechten Arbeitsbedingungen betroffen.
Gleichzeitig werben Fast-Fashion-Unternehmen wie Shein gerne für den Internationalen Frauentag, profitieren aber von der Ausbeutung der Näherinnen (und der Näher). Diese extrem günstigen Preise funktionieren auch nur mithilfe solcher Praktiken in der Herstellung. Laut einem Bericht von PublicEye mache Shein es sich unter anderem zunutze, dass Arbeiterinnen und Arbeiter, die keine Alternativen haben, bereit sind, auf Sicherheit und Lebensqualität zu verzichten, um Geld zu verdienen. Auf der deutschen Unternehmenswebsite schreibt Shein bei „Soziale Verantwortung“ unter anderem, dass 5000 Euro an ein Frauenhaus gespendet wurden und das bei einem geschätzten Umsatz von 235 Millionen Euro im Jahr 2020 allein in Deutschland.
Kann Woke Washing auch Positives bewirken?
Man könnte argumentieren, dass Woke Washing nicht nur heuchlerisch, sondern auch wirklich schädlich sein kann, da es toxische Geschäftspraktiken reinwäscht. Der Trend ist aber nicht ausschließlich negativ und kann auch Positives bewirken. Man könnte zumindest wohlwollend anmerken, dass wir als Gesellschaft zumindest teilweise vom Werbeethos „Sex sells“ zu „Soziale Gerechtigkeit sells“ übergegangen sind. Und auch wenn es unaufrichtig sein mag und für manche Unternehmen ein pures PR-Gimmick: Je mehr progressive Botschaften es gibt, desto mehr Aufmerksamkeit wird auf Themen wie soziale Gerechtigkeit und politische Missstände gelenkt.
Es kann außerdem Positives bewirken, wenn Unternehmen denen Woke Washing vorgeworfen wird, auf die Kritik eingehen. Nur die Fähigkeit Fehler einzugestehen und offen für Verbesserungen zu sein, wird ein Umfeld fördern, in dem sich die Menschen unterstützt fühlen und die Freiheit haben sich für Veränderungen einzusetzen, die ihr Leben besser und gerechter machen würden.
Authentischen Markenaktivismus von Woke Washing unterscheiden
Natürlich ist auch der authentischste Markenaktivismus letztendlich ein Mittel dafür, einem Unternehmen Aufmerksamkeit und Profit zu verschaffen. Aber bei manchen Unternehmen (wie zum Beispiel Patagonia) steckt mehr dahinter als nur leere Worte. Es gibt vier gute Indikatoren die helfen können, Woke Washing von authentischem Markenaktivismus von Unternehmen zu unterscheiden:
- Zeitpunkt: Nutzt eine Marke nur die Art von sozialen Themen, die gerade „im Trend“ zu sein scheinen und deshalb viel Beachtung erhalten oder spricht sie auch Themen an, die nicht trenden, um ihnen zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen?
- Handlung: Bezieht die Marke nur einmalig Stellung? Folgen auf ein Statement konkrete Handlungen? Oder kann sie darüber berichten, was sie in der Hinsicht bereits aktiv tut?
- Häufigkeit: Hat das Unternehmen sich schon länger konkret und aktiv für ein Thema eingesetzt oder handelt es sich offenbar um eine einmalige Aktion?
- Formulierungen: Achte auch auf schwammige Aussagen, wie „für das Gemeinwohl arbeiten“, „sozial verantwortlich“, „eine sozial bewusste Marke“, „wir fördern das Wohlbefinden“, etc.
➜ Die B-Corp Zertifizierung kann ebenfalls als Anhaltspunkt dienen, die ehrlichen Intentionen eines Unternehmens zu erkennen. Es ist ein Zertifikat, das die Non-Profit-Organisation B Lab Unternehmen für soziale und umweltverträgliche Praktiken verleiht. Es kann aber vorkommen, dass du eine B-Corp-zertifizierte Firma unterstützt, die einem umstrittenen Mutterkonzern angehört, deshalb solltest du auch hier etwas kritisch bleiben.
Woke Washing – Fazit
Egal ob du nun der Meinung bist, dass es sich bei den beschriebenen Praktiken um Woke-Washing handelt oder um Unternehmen, die wichtige Themen aufgreifen und in den Mittelpunkt stellen – das Phänomen wird bleiben. In einer Zeit, in der so viele Menschen (zu Recht) das Gefühl haben, dass das Wirtschaftssystem so nicht funktionieren kann, ist es klug, wenn Unternehmen an unseren Idealismus appellieren. So zu tun, als würden Aussagen denen keine Taten folgen die Welt verändern, muss man allerdings auch nicht. Nur wirklich engagierte und verantwortungsbewusste Bemühungen – auch von politischer Seite – können letztendlich Veränderung bewirken!