Deutsches Kaiserreich: Definition
Das Deutsche Kaiserreich bestand von dem Jahr der Reichsgründung, 1871, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, 1918. Die Periode des Kaiserreichs selbst lässt sich in vier Zeitabschnitte unterteilen:
- Die Reichsgründung 1871
- Otto von Bismarck: Außen- und Innenpolitik
- Die Industrialisierung und die soziale Frage
- Wilhelm II. der letzte deutsche Kaiser
Deutsches Kaiserreich: Karte
Sah das Deutsche Kaiserreich denn genauso aus wie die Deutsche Bundesrepublik heute? Tatsächlich nicht – die Grenzen des Kaiserreichs erstreckten sich bis weit in den Osten, so weit, dass dort, wo die Grenze Ostpreußens lag, heute Litauen zu finden ist. Hier siehst du eine Karte, die das Deutsche Kaiserreich zeigt:
Deutsches Kaiserreich: Gründung
Bevor du Genaueres zu den Geschehnissen innerhalb des Deutschen Kaiserreichs erfährst, ist es wichtig, sich erst anzusehen, wie es überhaupt zur Reichsgründung kam.
Deutsches Kaiserreich: Vorgeschichte
Vor 1871 gab es kein geeintes Deutschland, wie wir es heute kennen. Im späteren Reichsgebiet gab es zunächst bloß zahlreiche zersplitterte Staaten – diese zu vereinen war gar nicht so leicht. Denn nicht alle waren für die Deutsche Einheit.
Eine wichtige Rolle in der Entstehungsgeschichte des Deutschen Reichs spielte der Deutsche Bund.
Dabei handelte es sich um einen Staatenbund, der seit 1815 existierte. Er besaß zwar bundesstaatliche Züge, hatte jedoch keine Staatsgewalt. Er war im Prinzip dafür zuständig, die innere und äußere Sicherheit der Mitgliedsstaaten zu wahren.
Im Deutschen Bund gab es zwei dominante Staaten – zum einen Preußen, dessen Ministerpräsident Otto von Bismarck war und Österreich, welches von Kaiser Franz Joseph I. regiert wurde. Beide hatten machtpolitisch eine konkurrierende Stellung. Die süddeutschen Staaten waren vor allem gegenüber Österreich loyal. Sie hatten kein Interesse an der deutschen Einheit, da sie ihre Existenz davon bedroht sahen. Der deutsche Dualismus schien also einem geeinten Deutschland im Weg zu stehen.
Das Verhältnis, beruhend auf Rivalität, aber auch Kooperation der beiden Mächte Österreich und Preußen, wird als deutscher Dualismus oder auch preußisch-österreichischer Dualismus bezeichnet.
Deutsches Kaiserreich 1871 : Verfassung & Reichsgründung
In der Geschichtswissenschaft wird zumeist nicht von einer festen Jahreszahl gesprochen, wenn es um die Gründung des Deutschen Kaiserreichs geht. Einige Historiker*innen zählen beispielsweise die Ereignisse von 1848 bis 1871 zur Thematik und sprechen dementsprechend von einer ganzen "Reichsgründungsepoche" oder "Reichsgründungszeit".
Für dich reicht es jedoch zu wissen, dass im Jahr 1870 die Königreiche Bayern und Württemberg sowie die Großherzogtümer Baden und Hessen, im Zuge der Novemberverträge, dem Norddeutschen Bund beitraten. Dieser wurde daraufhin zum "Deutschen Reich" umbenannt.
Der Norddeutsche Bund war ein Staatenzusammenschluss, der sich im Jahr 1867 als Folge des Deutschen Krieges gebildet hatte – dieser galt durch seine Verfassung bereits als eigener Bundesstaat. Zahlreiche Nord- und Mitteldeutsche Staaten gehörten dem Norddeutschen Bund an.
Am 16. April 1871 wurde eine ausgearbeitete Version der Verfassung des Deutschen Bundes veröffentlicht. Diese wurde offiziell ab dem 4. Mai 1871 eingesetzt und rückwirkend, ab dem 1. Januar 1871, für geltend erklärt. Diese Verfassung wird auch als Bismarck'sche Reichsverfassung bezeichnet. Am 18. Januar des gleichen Jahres wurde bereits der preußische König Wilhelm I. in einem zeremoniellen Akt im Versailler Schloss zum Deutschen Kaiser ernannt.
Deutsches Kaiserreich: Bismarck
Den Namen Otto von Bismarck hast du, spätestens in diesem Kapitel, bereits gehört beziehungsweise gelesen – doch was für eine Rolle spielte er genau im Deutschen Reich? Hier bekommst du einen kleinen Überblick über Bismarcks Handeln in der Außen- und Innenpolitik. Dies hilft dir dabei, die Geschehnisse dieser Thematik besser zu verstehen.
Bismarck: Innenpolitik
Innenpolitisch ging es Bismarck vor allem darum, das junge Kaiserreich zu schützen. Dabei identifizierte er verschiedene Gruppen, die er als Bedrohung ansah. Zum einen gehörten dazu nationale Minderheiten – im neu gegründeten Reich gab es vor allem Dänen, Franzosen und Polen. Bismarck versuchte durch ein Sprachverbot diese Minderheiten zu unterdrücken.
Eine andere Gruppe, die dem Ministerpräsidenten ein Dorn im Auge war, waren die Katholiken. Bismarck fürchtete, dass diese eventuell vom Papst in Rom gesteuert wurden und sich gegen das Deutsche Reich stellen könnten. Durch verschiedene Maßnahmen versuchte Bismarck auch diese Gruppe zu unterdrücken – beispielsweise durch das Einführen der Zivil Ehe. Diese Konflikte Bismarcks mit der katholischen Kirche werden in der Wissenschaft als Kulturkampf bezeichnet. Dieser wurde 1887 diplomatisch beendet und gilt im Rückblick als gescheitert.
Die Zivilehe sieht in der staatlich, rechtlichen Ordnung vor, dass ein Standesamt für die Trauung zweier Eheleute nötig ist – eine rein kirchliche Trauung ist demnach für eine rechtlich geltende Eheschließung nicht ausreichend.
Als eine weitere Gefahr identifizierte Bismarck die Sozialisten, welche als Folge der Industrialisierung immer einflussreicher wurden. Bismarck verfolgte gegen diese Gruppe eine Doppelstrategie: Einerseits versucht er durch die Etablierung eines Versicherungssystems Arbeiter von der Politik fernzuhalten und an den Staat zu binden, andererseits versuchte er sie durch das sogenannte Sozialistengesetz zu unterdrücken – sozialistische
Zeitungen und Versammlungen wurden verboten.
Bismarck: Außenpolitik
Auch nach außen wollte Bismarck versuchen Deutschland, mit seinen Bemühungen in der Außenpolitik, zu sichern. Dem Ministerpräsidenten war bewusst, dass sich durch die Einigung des Reichs das Machtgleichgewicht in Europa verändert hatte. Das Ziel seiner Außenpolitik war es, den europäischen Frieden zu sichern und Frankreich zu isolieren. Daher legte er besonders hohen Wert auf eine ausgebaute Bündnispolitik mit anderen europäischen Mächten.
Hier findest du eine knappe Übersicht zu einigen der wichtigsten Punkte Bismarcks Außenpolitik:
1873: Dreikaiser Abkommen
- Grundstein des Bündnissystems
- Abkommen zwischen Österreich, Russland und dem Deutschen Reich
- Absprachen im Krisenfall
- Belastung durch Orientkrise
Das Problem dieses Bündnisses war, dass Russland und Österreich unterschiedliche Interessen hatten. Beide Staaten wollten ihre Gebiete im Balkan erweitern.
Probleme einer Allianz mit Russland
- Russland und Österreich hatten sehr unterschiedliche Interessen im Balkan
- Die Balkanfrage betraf auch England, mit den Gebieten Zypern und Malta↳ Deutschland musste sich großen Spielraum zwischen den Interessen von Russland und Österreich schaffen
- Bismarck gelang es alle Interessen in einem Bündnissystem zu integrieren
1879: Zweibund
- Bündnis zwischen Österreich und Deutschland
- Gegenseitige Militärhilfe, falls Russland eine Partei angreifen würde
- 1883 schloss sich Rumänien dem Bündnis an
1887: Rückversicherungsvertrag
- Deutschland sagte Russland in geheimen Absprachen Unterstützung in der Balkanpolitik zu
- Stand in Konflikt zu anderen Verträgen
- Geheim Diplomatie
Deutsches Kaiserreich: Ende
Das Deutsche Kaiserreich endete im Jahr 1918 mit dem Ersten Weltkrieg. Der Krieg, der am 28. Juli 1914 begann, hatte Deutschland und seine Alliierten (Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich und Bulgarien) gegen die Triple Entente (Frankreich, Großbritannien und Russland) aufgebracht. Obwohl Deutschland und seine Alliierten anfangs erfolgreich waren, drehte sich das Kriegsglück gegen sie, als die USA 1917 in den Krieg eintraten und ihre Ressourcen zur Verfügung stellten.
Die wirtschaftlichen und politischen Belastungen des Krieges hatten in Deutschland zu einer zunehmenden Unzufriedenheit geführt, die von Arbeiterprotesten und Streiks unterstützt wurde. Im Oktober 1918 erklärten die Sozialdemokraten, die größte politische Partei Deutschlands, ihre Unterstützung für eine demokratische Republik. Kaiser Wilhelm II. floh in die Niederlande und der Reichstag proklamierte am 9. November 1918 die Republik Deutschland.
Deutsches Kaiserreich: Industrialisierung
Die Industrialisierung beschreibt den sozialen, technischen und wirtschaftlichen Wandel ab Ende des 18. Jahrhunderts. Die Gesellschaft veränderte sich in dieser Phase von einer Agrargesellschaft zu einer Industriegesellschaft. Das heißt, die Wirtschaft wandte ihr Hauptaugenmerk von der Landwirtschaft ab und legte es zunehmend auf die industrielle Produktion – dem Herstellen von Maschinen zum Beispiel.
Die Industrielle Revolution begann in verschieden Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten. England gilt als Pionierland, hier wird bereits Ende/Mitte des 18. Jahrhunderts als Startpunkt der Industriellen Revolution gesehen. In Deutschland begann die Industrialisierung hingegen erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die Soziale Frage
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es ein starkes Bevölkerungswachstum. Dies führte dazu, dass nicht genügend Arbeit und Nahrung für die Bevölkerung zur Verfügung stand. Die Folge war eine gravierende Massenverarmung, welche als Pauperismus bezeichnet wird. Außerdem mussten die meisten Arbeiter unter schlechten Bedingungen leben und arbeiten, dies warf die sogenannte "soziale Frage" auf.
Die soziale Frage beschreibt die Notlage der Industriearbeiter während der Industrialisierung. Die Arbeiter wurden zu dieser Zeit mit einer gewissen Rechtslosigkeit konfrontiert. Merkmale für die Situation der Arbeiterschaft waren:
- Sehr niedrige Löhne (meist nicht ausreichend, um Familien zu versorgen.)
- Unsichere Arbeitsplätze
- Kein Arbeitsschutz z. B. bei der Arbeit mit giftigen Substanzen
- Kinderarbeit
- Wohnungselend
- Fehlende Absicherung bei Krankheit, Verletzung oder Tod
Deutsches Kaiserreich: Wilhelm II.
Kaiser Wilhelm II. regierte von 1888 bis 1918 als der letzte deutsche Kaiser. Er wollte, im Vergleich zu Bismarck, einen neuen Kurs verfolgen – sein Ziel war eine aggressivere Außenpolitik, um somit Deutschland einen "Platz an der Sonne" zu sichern. Bismarck versuchte zu kommunizieren, dass Deutschland gesättigt sei, Wilhelm II. verfolgte jedoch einen imperialistischen Kurs, der schließlich im Ersten Weltkrieg und Ende der Kaiserherrschaft mündete.
Besonders bekannt wurde Wilhelm II. für sein persönliches Regiment. Er versuchte auf innenpolitischer Ebene Schäden zu beseitigen, die Bismarcks Politik hinterlassen hatte. So sorgte er unter anderem mit der Einführung einer Arbeiterschutzversicherung dafür, dass zumindest bei Frauen und Kindern Arbeitszeiten und -alter geregelt wurden. Auch die Gruppen, die Bismarck versucht hatte auszugrenzen, versuchte der Deutsche Kaiser wieder in die Gesellschaft des Reichs zu integrieren.
Ein persönliches Regiment beschreibt, wenn ein Monarch die Staatsführung selbst übernimmt und diese nicht einem Kanzler als Regierungschef überlässt. Neben Charles I. von England (1600–1649) ist Kaiser Wilhelm II. eines der prominentesten Beispiele für das persönliche Regiment.
Außenpolitisch setzte Wilhelm II., wie bereits erwähnt, auf einen aggressiveren Kurs und bemühte sich um Expansionspolitik und den Ausbau der Handelspolitik. Des Weiteren startete er 1897 mit dem sogenannten Flottenbauprogramm, welches die kaiserliche Marine deutlich vergrößerte. Dies führte zu einem Wettrüsten mit der britischen Marine und stellte sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges als gravierende Fehlinvestition heraus.
Deutsches Kaiserreich – Das Wichtigste
- Das Deutsche Kaiserreich wird auf die Zeit von 1871 bis 1918 datiert.
- Vor dem Kaiserreich gab es kein geeintes Deutschland.
- Ministerpräsident Otto von Bismarck versuchte das Deutsche Reich innenpolitisch vor "bedrohlichen" Gruppen innerhalb des Reichs zu schützen und außenpolitisch vor allem Bündnispolitik zu betreiben.
- Die Industrielle Revolution wirkte sich stark auf die Gesellschaft des Deutschen Kaiserreichs aus und sorgte für Massenverarmungen (Pauperismus).
- Kaiser Wilhelm II. setzte auf eine aggressivere Außenpolitik und versuchte vor allem die deutsche Expansion und die Handelspolitik voranzubringen.
Nachweise
- Abb. 2: Licensed under public domain (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7f/Anton_von_Werner-Kaiserproklamation%2C_zweite_Fassung_1882-1.jpg).
- Abb. 3: Licensed under public domain (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d0/1909_Carl_Stilling_Schmiede_anagoria.JPG).
- Abb. 4: Licensed under public domain (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ee/Kaiser-Wilhelm-Bart_%28II%29.jpg).
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Deutsches Kaiserreich
Wer war Kaiser im Deutschen Kaiserreich?
Der preußische König Wilhelm II. wurde 1871 zum Kaiser Deutschlands ernannt. Auf ihn folgte Kaiser Wilhelm II. Er war der letzte Kaiser im Deutschen Kaiserreich und regierte von 1888 bis 1918.
Wann wurde Deutschland ein Kaiserreich?
Deutschland wurde mit der Reichsgründung 1871 zum Kaiserreich.
Wer herrschte im Deutschen Reich?
Von 1871 bis 1888 war Wilhelm I. Kaiser Deutschlands, wobei jedoch der Ministerpräsident Otto von Bismarck großen Einfluss auf die Außen- und Innen- sowie Bündnispolitk des Deutschen Kaiserreichs nahm. Ab 1888 war Wilhelm II. deutscher Kaiser und übte mit seinem persönlichen Regiment die meiste Macht selbst aus.
Wann trat die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs in Kraft?
Die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs trat am 1. Januar 1871 in Kraft.
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