Literarische Texte interpretieren
Was genau ist also nun eine Interpretation?
Eine Textinterpretation beschäftigt sich zumeist mit literarischen Texten aus den Gattungen der Epik, der Dramatik und der Lyrik. Dabei wird versucht, nicht nur den Text zu beschreiben, sondern auch seine Bedeutung, seine Absicht und seine Wirkung zu erschließen.
Ganz nach dem Prinzip "Im Anfang war das Wort" muss man den Text zunächst lesen und verstehen. Der Ausgangstext kann dabei entweder fiktional (z. B. ein Fantasy-Roman) oder nicht-fiktional (z. B. ein Sachbuch) sein. Es ist essenziell, dass Du Dir den Text gründlich und – wenn möglich – auch mehrmals durchliest, um auch wirklich alle seine Aspekte zu erfassen.
Die Interpretation von literarischen Texten gehört zu den Kernkompetenzen im Fach Deutsch. Sie wird nicht nur in Klassenarbeiten abgefragt, sondern kann auch Teil deiner Abschlussprüfung sein.
Neben dem eigentlichen Inhalt werden bei einer Interpretation mögliche Intentionen der Autorin oder des Autors sowie biografische und zeitgeschichtliche Hintergründe einbezogen. Die sprachlichen Mittel und deren Wirkung gehören ebenfalls dazu.
Die Aufgabenstellung in einer Klassenarbeit oder Prüfung kann dabei variieren. Es kann sein, dass Du einen Textauszug für eine Interpretation bekommst oder zwei verschiedene Texte miteinander vergleichen musst.
In der Schule werden die Begriffe Textanalyse und Interpretation manchmal synonym verwendet. Eine Interpretation geht aber weiter als eine Textanalyse.
Bei der Analyse muss man den Aufbau und den Inhalt eines Textes genau wiedergeben können – man konzentriert sich hierbei auf seinen Inhalt, seine Sprache und seine Gestaltung.
Die Interpretation baut darauf auf und geht noch etwas weiter. Es wird versucht zu deuten, warum der Autor den Text verfasst hat und was er mit ihm sagen möchte. Die Ergebnisse der Analyse werden in einen übergeordneten Zusammenhang gestellt.
Literarische Texte – Beispiele
Grundlegend kann jeder Text für eine Interpretation herhalten. In der Schule werden meist Texte aus den drei Literaturgattungen Epik, Dramatik und Lyrik analysiert und interpretiert. Es kommt aber auch vor, dass Sachtexte behandelt werden.
Texte zu analysieren und zu interpretieren hilft Dir dabei, eine gewisse Herangehensweise zu entwickeln, wie Du gezielt Informationen entnehmen und dich kritisch mit dem Inhalt auseinandersetzen kannst. Das kann dir helfen, deine eigene Meinung in Bezug auf bestimmte Themen zu entwickeln.
Im Folgenden findest Du eine Einteilung der verschiedenen Textsorten:
Drama | Epik | Lyrik | Sachtext |
Als Dramen werden Texte bezeichnet, die in der Regel für das Theater geschrieben wurden. Sie sind in Dialogform verfasst, wobei ein Erzähler fehlt. | Unter der Epik versteht man erzählende Literatur (in Versen oder Prosa). Ein vorwiegend fiktionaler Erzähler erzählt eine Geschichte. | Die Lyrik umfasst Gedichte aller Art. Sie zeichnet sich durch Strophen und Verse aus. Reime und viele rhetorische Stilmittel gehören auch dazu. | In der Sachliteratur finden sich informative Texte. Sie liefern dem Leser also bestimmte Fakten zu einem Thema. |
Theaterstücke, Komödien, Tragödien, Drehbücher, Operntexte, usw. | Romane, Biografien, Erzählungen, Novellen, Märchen, Sagen, usw. | Gedichte, Lieder, Minnen, Gesänge, usw. | Zeitungsartikel, Lexika, Fachtexte, Berichte, usw. |
Für eine Vertiefung der verschiedenen literarischen Gattungen kannst Du Dir auch gerne unsere Artikel dazu durchlesen. Dort findest Du noch genauere Informationen zu den einzelnen Formen und zum Aufbau, sowie Beispiele.
Interpretation des Textes – Vorgehensweise
Eine gute Interpretation zu verfassen, benötigt einiges an Übung. Im Folgenden werden Dir einige Tipps und Beispiele in Hinblick auf die Vorgehensweise und Struktur an die Hand gegeben, damit Du weißt, welche Informationen in welchem Teil deiner Interpretation am besten eingebaut werden können.
Abb. 1: Der Interpretationsprozess
Aufbau eines Textes – Textverständnis erarbeiten
Zunächst ist es wichtig, dass Du Dir den Ausgangstext bestenfalls mehrmals durchliest. So fallen Dir Dinge im Text auf, die Du beim ersten Lesen vielleicht übersehen hast. Es ist auch wichtig, dass Du währenddessen die Aufgabenstellung berücksichtigst. Andernfalls können Dir wichtige Informationen hinsichtlich Sprache, Inhalt oder bestimmte Themen entfallen.
Aufbau eines Textes – Inhalte erarbeiten
Während des Lesens solltest Du Dir bereits einige Notizen und Kommentare machen. Wichtige Aussagen und / oder Stilmittel kannst Du unterstreichen oder Dir Stichpunkte aufschreiben. Es kann auch hilfreich sein, den zu interpretierenden Text in Sinnabschnitte zu gliedern. Es ist wichtig, alle relevanten Informationen des Textes zu erfassen.
Dabei solltest Du methodisch vorgehen. So gibt es z. B. die Möglichkeit, Dich an den bekannten W-Fragen zu orientieren. Diese Fragen können prinzipiell auf alle Texte angewendet werden, um bestimmte Inhalte zu erschließen. Bereits an der Aufgabenstellung kannst Du erkennen, welche W-Fragen eine größere Wichtigkeit haben und so deine Informationen sortieren.
Wer handelt? | Was passiert? | Wann passiert es? | Wo passiert es? | Warum passiert es? | Wie passiert es? | Wozu passiert es? |
Achte auch darauf, mit Textabschnitten und Zitaten zu arbeiten. Diese helfen Dir, Deine eigene Meinung zu belegen. Bei einer Interpretation muss jede Hypothese mit einer passenden Textstelle oder einem Zitat begründet werden.
Bei einer Interpretation solltest Du Dir auch die Sprache und Form des Ausgangstextes genau anschauen. Dabei musst Du einzelne Aspekte untersuchen, wie z. B. die Erzählperspektive (auktorial, personal, usw.), sprachliche Gestaltung (z. B. bei Gedichten die verwendeten rhetorischen Stilmittel), Figurencharakteristik (mögliche Figurenkonstellationen) oder zentrale Motive. Diese einzelnen Aspekte müssen benannt, dargestellt und gedeutet werden.
Literarische Interpretation – Der Schreibprozess
Eine gute Interpretation sollte einem logischen Aufbau folgen und verständlich sein. Die Fragen der Aufgabenstellung sollten in Form eines Fließtextes beantwortet werden. Da Du eine einfache Nacherzählung des Ausgangstextes unbedingt vermeiden solltest, kann es hilfreich sein, deine Interpretation in Form einer Gliederung zu planen.
In den einzelnen Textabschnitten solltest Du die wichtigsten Informationen einbauen. Dabei gilt der klassische Aufbau in Einleitung, Hauptteil und Schluss. Im Folgenden findest Du einen möglichen Aufbau einer Gliederung, der sich prinzipiell auf alle Textsorten anwenden lässt. Die wichtigsten Teilaspekte sind hierbei ausformuliert:
Die Einleitung – Hinführung zum Thema
In der Einleitung werden Titel, Autor des Werkes, Erscheinungsjahr sowie Textsorte (Drama, Roman, etc.) genannt. Im Anschluss solltest Du eine kurze Inhaltszusammenfassung des Textes, bzw. der zu interpretierenden Textstelle geben. Schreibe im Präsens und halte dich kurz und prägnant – zwei bis drei Sätze sollten dafür genügen.
Am Ende der Einleitung solltest Du zum Thema hinführen, d. h. einen ersten Ansatz geben, in welche Richtung sich deine Interpretation entwickeln wird. Das kann z. B. durch eine kritische Fragestellung erfolgen.
Inhalte der Einleitung |
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Falls es sich bei dem Ausgangstext um einen Textauszug handelt, solltest du diesen in der Einleitung in den gesamten Kontext (Handlungszusammenhang) einordnen können.
Der Hauptteil – Inhaltszusammenfassung, Deutung und Interpretation
Im Hauptteil deiner Textinterpretation solltest Du den Inhalt des Ausgangstextes nochmals kurz zusammenfassen. Bei der Inhaltsangabe solltest Du nur das Wichtigste aufzeigen, also die wesentliche Handlung der Geschichte, sowie wichtige Personen und Ereignisse.
Danach folgt die eigentliche Textanalyse sowie die Deutung des Inhaltes. Deine Hypothesen (Deutungen) sollten darstellen, wie Du den Text verstehst. Bei der Interpretation wird der Ausgangstext noch einmal genau untersucht. Hierbei sollte auf inhaltliche, formale, sprachliche und zeitgeschichtliche Besonderheiten eingegangen werden. Überlege Dir, was die Autorin oder der Autor mit ihrem bzw. seinem Text aussagen möchte. Dabei kannst Du biografische Informationen in deine Analyse einbeziehen.
Denke daran, deine Behauptungen mit entsprechenden Textstellen und Zitaten aus dem Ausgangstext zu belegen.
Im Folgenden findest Du einige inhaltliche und formale Fragestellungen / Merkmale, an denen Du Dich bei deiner Interpretation orientieren kannst:
Inhalt | Sprache / Stilmittel | Erzählperspektive | Zeitliche Einordnung | Erläuterung |
Worum geht es? | Was für eine Sprache wird verwendet? | auktorialer Erzähler | Zu welcher Zeit wurde der Text verfasst? | Ist das Thema des Textes bekannt? |
Wer sind die Hauptpersonen? | Welche sprachlichen oder rhetorischen Stilmittel werden verwendet? | Ich-Erzähler | Hat der Text einen Bezug zur Realität? | Was sagt der Autor aus? |
Wo und wann spielt die Handlung? | Gibt es in dem Text viel wörtliche Rede? | personaler Erzähler | Wann spielt die Handlung? | Gibt es Bezüge zum Leben des Autors? |
Wie beginnt und endet der Text? | Wie ist die Gliederung des Textes? | neutraler Erzähler | Wie ist die geschichtliche Einordnung des Textes? | Welche Bedeutung hat das Thema / der Text für die heutige Zeit? |
Wie verhalten sich die Personen zueinander? | Welche Wirkung will der Autor erzielen? | Wie war die zeitgenössische Gesellschaft? |
Schluss (Persönliche Stellungnahme)
Im Schluss der Interpretation muss ein Fazit gezogen werden. Du fasst die Ergebnisse deiner Interpretation nochmals kurz zusammen und gibst eine eigene Wertung des Ausgangstextes ab. Achte hierbei darauf, deine eigene Meinung sachlich wiederzugeben und noch offene Fragen zu beantworten.
Textüberarbeitung
Ganz am Ende solltest Du Deine Interpretation nochmals durchgehen und dich an folgenden Fragen orientieren – sie können dir als eine Art Checkliste dienen:
Ist mein Text an der Aufgabenstellung ausgerichtet, bzw. wurde die Aufgabenstellung erfüllt? | Ist mein Text abwechslungsreich und deutlich formuliert? |
Ist mein Text insgesamt schlüssig formuliert, oder gibt es Logikfehler? | Ist mein Text formal korrekt? (z.B. einheitliche Verwendung des Tempus) |
Du hättest gerne ein anschauliches Beispiel, wie eine Interpretation geschrieben wird? Dann klick Dich doch gerne in die Interpretationen zu "Faust" oder "Der Sandmann". Zu vielen Werken findest Du außerdem aufschlussreiche Inhaltsangaben und Charakterisierungen auf StudySmarter!
Interpretation literarischer Texte - Das Wichtigste
- Eine Interpretation beschäftigt sich meist mit einem literarischen Text aus der Epik, der Dramatik oder auch der Lyrik. Sachtexte können auch als Ausgangstexte verwendet werden.
- Dabei geht die Interpretation weiter als eine reine Textanalyse, denn sie setzt ihre Ergebnisse in einen übergeordneten Zusammenhang.
- Die Absichten und Aussagen des Autors werden kritisch unter die Lupe genommen, wobei eine Interpretation dabei hilft, die eigene Meinungsbildung zu entwickeln.
- Bei einer Textinterpretation solltest Du Dir den Ausgangstext bestenfalls mehrmals durchlesen. Wichtige Aussagen und / oder Stilmittel kannst Du währenddessen bereits markieren – orientiere dich an den W-Fragen.
- Du solltest Deine Textinterpretation anhand einer Gliederung planen. Der Text ist in die drei klassischen Abschnitte Einleitung, Hauptteil und Schluss gegliedert.
- In der Einleitung werden Titel, Autor des Werkes, Erscheinungsjahr sowie Textsorte (Drama, Roman, etc.) genannt. Darauf folgt eine kurze Inhaltsangabe.
- Im Hauptteil erfolgt dann eine detailliertere Inhaltszusammenfassung sowie deine Deutungen und Interpretationen. Darin solltest Du festhalten, wie Du den Text verstehst und was deiner Meinung nach die Intentionen des Autors sind.
- Im Schluss deiner Interpretation sollte dein Fazit stehen - darin fasst Du die Ergebnisse deiner Interpretation zusammen und gibst eine eigene Wertung ab.
- Vergiss nicht, am Ende deinen Text nochmals durchzulesen und evtl. zu überarbeiten!
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