Harnbildung – 1. Schritt: Glomeruläre Filtration
Für den ersten Schritt zur Harnbildung muss das Blut aus dem Körper durch ganz spezielle Bereiche der Niere laufen: den Glomeruli.
Lokalisation und Aufbau der Glomeruli
Glomeruli sind kleine Kapillarsysteme, die sehr verzweigt und kompakt verpackt sind. Du kannst sie Dir wie ein Wollknäuel vorstellen. Durch die Kapillare kann Blut fließen. Jedes Glomerulus wird von einer Bowman-Kapsel umschlossen. Diese Kapsel ist zweischichtig und hat einen Raum zwischen den beiden Schichten. Ein Glomerulus zusammen mit seiner Bowman-Kapsel wird auch als Nierenkörperchen bezeichnet.
Die zwei Schichten der Bowman-Kapsel werden als inneres und äußeres Blatt bezeichnet. Das innere Blatt besteht aus speziellen Zellen – auch Podozyten genannt. Der Kapselraum der Bowman-Kapsel führt schließlich in einen Tubulus (Nierenkanälchen). Zusammen mit dem Nierenkörperchen bildet der Tubulus ein sogenanntes Nephron.
Glomerulus + Bowman-Kapsel = Nierenkörperchen
Nierenkörperchen + Tubulus = Nephron → In einer Niere sind etwa 1.000.000 Nephrone zu finden.
Funktion der Glomeruli
Die Glomeruli werden von Blut durchflossen. Der Druck des Blutes führt dazu, dass das Blut zwischen den Podozyten in den Raum zwischen den Blättern der Bowman-Kapsel gepresst wird. Allerdings gilt das nicht für alle Bestandteile des Blutes. Nur Stoffe, die klein genug sind, um zwischen die Podozyten zu passen, gelangen in den Kapselraum. Auf diese Weise kann das Blut wie durch ein Sieb gefiltert werden.
Große Proteine und verschiedene Zellen, die im Blut zu finden sind, gehören zu den Bestandteilen, die das Sieb nicht passieren können und zurückgehalten werden. Alle anderen Blutbestandteile wie Teile des Wassers, gelöste Salze, Zucker, kleine Proteine und andere kleine Stoffe können die Podozyten passieren. Die Stoffe, die sich im Kapselraum sammeln, werden auch als Primärharn bezeichnet. Der Primärharn kann durch den Tubulus abfließen.
Hier noch ein paar weitere interessante Zahlen: Pro Tag fließt das gesamte Blut in einem Körper etwa 300 Mal durch die Niere. In einem erwachsenen Menschen würde das bis zu 1800 Liter entsprechen, die täglich von den Nieren bewältigt werden müssen.
Harnbildung – 2. Schritt: Rückresorption
Im Primärharn befinden sich allerdings nicht nur Substanzen, die der Körper loswerden will, sondern auch Stoffe wie Glucose (Zucker), Aminosäuren, manche Salze und Wasser. Um diese nicht auch durch den Harn zu verlieren und den Körper von dringend benötigten Stoffen zu trennen, werden sie beim Prozess der Rückresorption wieder aufgenommen.
Struktur des Tubulussystems
Um rückresorbiert werden zu können, muss der Primärharn zunächst durch das Tubulussystem geleitet werden. Dieses kann folgendermaßen unterteilt werden:
- Hauptstück (Tubulus proximalis)
- Überleitungsstück (Tubulus attenuatus)
- Mittelstück (Tubulus distalis)
- Sammelrohr (Tubulus colligens)
Funktion der Tubulusbereiche
In den Bereichen des Tubulussystems werden unterschiedliche Aufgaben erfüllt. All diese Aufgaben zusammengenommen führen zur Ausführung der Rückresorption.
Im Hauptstück des Tubulus geschieht – wie der Name schon verrät – der Hauptteil der Rückresorption. Salze, Elektrolyte, Zucker (Glucose, Kohlenhydrate) und Aminosäuren gehören zu den Stoffen, die vom Körper weiterhin benötigt und deshalb nicht mit dem Harn ausgeschieden werden dürfen. Sie werden durch spezielle Transporter durch die Wand des Haupttubulus gezogen und über die Niere wieder ins Blut zurückgegeben. Auch ein großer Teil des Wassers (etwa 80 %) wird dem Primärharn entzogen.
Allerdings werden auch Harnstoffe – die, wie der Name verrät, eigentlich im Harn enthalten sein sollten – hinaustransportiert.
Einen genaueren Überblick zur Zusammensetzung von Harn und der Funktion des Harnstoffs findest Du im StudySmarter-Artikel zu den Harnwegen.
Im Überleitungs- und Mittelstück wird der Harn weiter konzentriert, indem ihm Wasser entzogen wird. Auch der weitere Entzug von Kochsalz (NaCl) findet hier statt.
Allerdings hat die Rückresorption der verschiedenen Stoffe eine Grenze. Falls ein Stoff im Blut – und entsprechend auch im Primärharn – in einer zu hohen Konzentration vorliegt, kann nicht alles davon wieder resorbiert werden. Ab bestimmten Werten ist die Kapazität erreicht und verbleibende Mengen bleiben zum Ausscheiden im Harn zurück.
Bei der Krankheit Diabetes kann aufgenommenes Zucke (Glucose/Blutzucker) nicht so gut abgebaut werden, wie es normalerweise der Fall wäre. Als eine Konsequenz entsteht oft ein zu hoher Blutzuckerspiegel. Auch der Primärharn enthält daher mehr Zucker, als es gesund wäre.
Nähere Information zur sogenannten Blutzuckerkrankheit findest Du im StudySmarter-Artikel zu Diabetes.
Glucose gehört zu den Stoffen, deren Rückresorption einer Grenze unterliegt. Bei Menschen mit Diabetes ist daher noch Restzucker im Harn enthalten, der nicht wieder resorbiert werden konnte. Als Resultat schmeckt/riecht der Urin von Diabetes-Erkrankten oft süßlich.
Diese Eigenschaft des Urins wird für die Diagnose der Krankheit Diabetes genutzt: während der Urin vor einigen hundert Jahren noch von Menschen abgeschmeckt wurde, gibt es heutzutage Teststreifen, die überhöhte Zuckerwerte im Urin nachweisen können.
Harnbildung – 3. Schritt: Sekretion Sekundärharn
Manche Stoffe im Blut müssen so schnell wie möglich in den Harn abgegeben werden. Dazu zählen unter anderem Abbaustoffe von Medikamenten oder andere toxische Stoffe im Blut. Zuerst filtriert zu werden und den Weg über den Primärharn zu nehmen, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Daher werden einige Stoffe zur schnelleren Ausscheidung direkt aus der Niere in den Tubulus aufgenommen. Dieser Prozess wird auch als Sekretion oder Sezernierung bezeichnet.
Als Sekretion werden Vorgänge bezeichnet, bei denen Flüssigkeiten mit speziellen Funktionen aus Drüsen oder Zellen abgegeben werden.
Auch Stoffe, die zu groß waren, um bei der glomerulären Filtration zwischen den Podozyten in den Primärharn zu gelangen, können durch Sekretion wieder in den Harn aufgenommen werden. Harnstoffe und Harnsäuren, die durch Rückresorption eigentlich aus dem Tubulus heraus geschleust wurden, werden durch Sekretion ebenfalls wieder in den Tubulus aufgenommen.
Die durch Rückresorption und Sekretion des Primärharns entstehende Lösung wird als Sekundärharn oder auch Endharn bezeichnet.
Der Sekundärharn, auch Endharn genannt, ist die hochkonzentrierte Flüssigkeit, die in der Harnblase gespeichert und als Urin abgegeben wird.
Der Sekundärharn strömt in das Sammelrohr und kann von dort aus seine Reise antreten, den Körper über die Niere und die Harnröhre zu verlassen.
Harnbildung – Fehlfunktionen des Vorgangs
Die Bildung von Harn ist sowohl vom Wasserhaushalt im Körper, als auch von der Menge an auszuscheidenden Stoffen im Blutkreislauf abhängig. Ist die Menge eines dieser Stoffe zu hoch oder zu niedrig, wird die Harnbildung beeinträchtigt und es kann zu gesundheitlichen Komplikationen kommen.
Gicht durch überschüssige Harnsäure
Harnsäure ist das Endprodukt eines Abbauweges, bei dem ein Bestandteil der DNA zersetzt wird.
Die DNA (Desoxyribonukleinsäure) ist das Erbgut von Lebewesen, auf der sich die genetische Information befindet. Jedes Lebewesen hat eine ganz eigene DNA, die im Zellkern der meisten Zellen vorhanden ist. Mehr Informationen dazu und zu den Bestandteilen der DNA findest Du in den StudySmarter-Artikeln zur DNA und zur Struktur der DNA.
Da Harnsäure selbst nicht abgebaut werden kann, muss es über den Harn ausgeschieden werden. Zu hohe Harnsäure-Mengen im Blut können zum Beispiel dann auftreten, wenn übermäßig viel Fleisch konsumiert wird, die Nierenfunktion fehlerhaft ist, oder auch bei manchen Arten von Krebs.
Bei einem Überschuss von Harnsäure im Blut kommt es dazu, dass nicht mehr alles mit dem Harn ausgeschieden werden kann, weil ab einer gewissen Schwelle die Kapazitäten im Harn erreicht sind. In solchen Fällen verbleibt zu viel Harnsäure im Blutkreislauf.
Die Harnsäure kann über einen gewissen Zeitraum kristallisieren und sich nach einer Weile in Gelenken, Sehnen oder Knorpeln absetzen. Bei den dann auftretenden Gicht-Anfällen schwellen die betroffenen Gelenke schmerzhaft an und es kommt zu Entzündungen.
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten
Werden Medikamente eingenommen, müssen diese nach einer gewissen Zeit ausgeschieden werden – egal ob der Wirkstoff noch ganz ist oder schon teilweise abgebaut wurde. Je nachdem wie groß der Wirkstoff ist, kann er schon über die glomeruläre Filtration in den Primärharn gelangen oder wird erst mit der Sekretion in den Sekundärharn aufgenommen.
Hier kann es dazu kommen, dass die Menge an Wirkstoff im Blut nur sehr langsam abgebaut wird, da der Harn nicht genug Kapazitäten hat, um alles auf einmal auszuscheiden. Falls eine Person daher mehrere verschiedene Medikamente einnehmen muss, ist es wichtig, darauf zu achten, dass diese beiden Medikamente miteinander verträglich sind. Ansonsten kann es dazu kommen, dass beide Wirkstoffe gleichzeitig im Blut sind und die Kombination ihrer Wirkungen eine unerwünschte Nebenwirkung auslöst.
Vor allem viele ältere Menschen leiden inzwischen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und nehmen für eine bessere Durchblutung entsprechende Medikamente wie Digoxin ein. Allerdings muss bei vielen Herz-Kreislauf-Medikamenten darauf geachtet werden, dass gleichzeitig keine Abführmittel eingenommen werden:
Abführmittel führen dazu, dass der Körper viel Kalium verliert – ein wichtiges Mineral, das mit Lebensmittel aufgenommen werden muss. Allerdings wirken viele Herz-Kreislauf-Medikamente an Stellen im Körper, wo eigentlich Kalium beschäftigt wäre. Mit weniger Kalium im Körper kann eingenommenes Digoxin daher viel stärker wirken als beabsichtigt und zu Herzrhythmusstörungen führen – dem Gegenteil der eigentlichen Wirkung von Herz-Kreislauf-Medikamenten.
Um eine solche Wechselwirkung zu verhindern, sollte vorher mit Ärzt*innen oder Apotheker*innen offen kommuniziert werden, welche Substanzen zusammen eingenommen werden können. Diese werden dann Medikamente verabreichen, die in Kombination keine gefährlichen Nebenwirkungen hervorrufen oder die Dosen anpassen.
Harnbildung – Das Wichtigste
- Harnbildung findet in den Nephrons statt und besteht aus drei Phasen.
- Bei der glomerulären Filtration wird das Blut in den Nierenkörperchen gefiltert und bildet den Primärharn.
- Bei der Rückresorption werden überlebensnötige Stoffe im Tubulus wieder in den Körper aufgenommen.
- Durch die Sekretion werden auszuscheidende Stoffe aus dem Blut wieder in den Harn aufgenommen und es bildet sich der finale Sekundärharn.
- Es bilden sich täglich etwa 180 Liter Primärharn, von denen 90 % wieder in den Blutkreislauf überführt werden.
- Viele Stoffe können nicht zur Genüge ausgeschieden werden, wenn ihre Konzentration im Blut zu hoch ist.
Nachweise
- visiblebody.com: Filtration, Rückresorption, Sekretion: Die drei Schritte der Urinproduktion (18.07.2022)
- Schmidt, R. F.; Thews, G. T. (1995). Physiologie des Menschen. Springer Berlin, Heidelberg, New York.
- medizinfo.de: Rückresorption von Wasser und Konzentrierung des Harns. (20.07.2022)
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Harnbildung
Wie wird der Harn gebildet?
Der Harn wird gebildet, indem das Blut zunächst in den Glomeruli der Niere gefiltert wird. Anschließend werden wichtige Stoffe bei der Rückresorption im Tubulussystem wieder ins Blut zurückgegeben. Am Schluss werden letzte auszuscheidende Stoffe bei der Sekretion wieder in den Harn gegeben.
Wo findet die Harnbildung statt?
Die Harnbildung findet in den Nephronen der Niere statt.
Wie wird aus Primärharn Sekundärharn?
Der Primärharn wird im Tubulussystem der Rückresorption unterzogen, wobei lebenswichtige Stoffe wieder in das Blut übergehen. Anschließend werden weitere auszuscheidende Stoffe in den Harn abgegeben. Dieser Harn wird als Sekundärharn bezeichnet.
Wie funktioniert die Harnbildung?
Bei der Harnbildung wird das Blut zunächst in den Glomeruli der Niere gefiltert, wobei der Primärharn entsteht. Anschließend werden wichtige Stoffe bei der Rückresorption im Tubulussystem wieder ins Blut zurückgegeben. Am Schluss werden letzte auszuscheidende Stoffe bei der Sekretion wieder in den Harn gegeben und der Sekundärharn entsteht.
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