Ronja Kemmer, vormals Ronja Schmitt, ist eine deutsche Politikerin (CDU / CSU) und Volkswirtin. Im Dezember 2014 zog sie als damals jüngstes Mitglied in den Deutschen Bundestag ein.
Wieso haben Sie sich für ein MINT Studium entschlossen?
Wirtschaftliche Zusammenhänge hatten mich bereits in der Schule fasziniert, weshalb ich mich für ein Studium der Volkswirtschaftslehre entschied. VWL ist zwar kein MINT-Studiengang, aber traditionell auch eher ein „Männerfach“. Ich kann Jungen und Mädchen gleichermaßen nur raten, bei der Auswahl des Studiengangs ihren Interessen zu folgen – denn nur so schafft man es auch die lernintensivsten Phasen motiviert durchzustehen und ein Studium erfolgreich zu absolvieren.
Wieso sollten sich Frauen für MINT Studiengänge entscheiden?
Als Mitglied im Ausschuss für Digitale Agenda und KI-Beauftragte meiner Fraktion erlebe ich täglich, wie vielfältig und faszinierend gerade die Informatik ist. Hier wird wirklich an der Zukunft gearbeitet, der Bereich ist wahnsinnig vielfältig – vom Training von Sprachassistenten bis hin zur Entwicklung von Robotern für die Fertigung in Fabriken. Darüber hinaus hat diese Branche natürlich attraktive Gehälter und Aufstiegschancen zu bieten.
Wer oder was hat Ihren Werdegang am stärksten beeinflusst?
Bei dem Weg, den ich gegangen bin, konnte ich mich immer auf die Unterstützung meiner Familie verlassen – sowohl in der Schule als auch im Studium. Auch vereinzelte Lehrer haben mein Interesse an wirtschaftlichen und politischen Fragestellungen geweckt. Mein Ehemann steht mir als Abgeordnete auch immer beiseite.
Wer waren Ihre Vorbilder?
Ich bewundere den Unternehmergeist und die Kühnheit von Bertha Benz. Die Baden Württembergerin kann man als die Pionierin des Automobils bezeichnen. Ihre ganze Mitgift steckte sie ohne zu Zögern in das Unternehmen ihres Mannes. Als das erste Automobil nur wenige Kaufinteressenten fand und ihr Mann schon am Aufgeben war, schnappte sie sich ihre Söhne und unternahm die erste Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim. Ohne Wissen ihres Mannes. Um zu zeigen, wozu das Automobil in der Lage ist, und das mit Erfolg.
Welchen Stereotypen können Sie mit Ihrer Erfahrung widerlegen?
Gerade bei MINT-Fächern und Berufsfeldern ist die öffentliche Wahrnehmung von vielen Klischees geprägt: Als Wahlkreisabgeordnete besuche ich viele Unternehmen und kann zum Beispiel klar sagen: Informatiker und Informatikerinnen hocken nicht nur alleine in einem dunklen, miefigen Raum am PC, nein sie arbeiten in Projekten oft eng und kollaborativ mit Kollegen und Kunden zusammen. Und Anwendungen, die sie mitentwickeln, haben inzwischen schon in vielen Branchen Einzug gehalten. Immer mehr werden folgen. Als Beispiel kann ich etwa die Pflegesparte nennen. Schon jetzt gibt es Pilotprojekte mit Robotern, die Pfleger bei der Betreuung von Patienten unterschützen und etwas mehr Freude in deren Alltag bringen. In Zukunft könnten Roboter Pflegekräfte vor allem bei sehr monotonen und körperlich anstrengenden Arbeiten entlasten. Für die Entwicklung solcher Anwendungen bedarf es dann der engen Zusammenarbeit von IT-lern und Pflegern.
Was war für Sie die größte Herausforderung?
Die bisher wohl größte Herausforderung in meinem Leben war, 2014 mit 25 Jahren in den Bundestag nachzurücken. Als „Neue“ im Bundestag muss man sich vielen unbekannten Herausforderungen stellen: Direkt aus dem Studium, stand ich vor der Aufgabe ein eigenes Team aus Mitarbeitern zu führen. Hinzu kam ein ganzer Haufen an Bürokratie: Ich musste mir ein neues Büro aufbauen und für jedes Kabel, jeden Ordner, den man braucht, gibt es ein Formular. Von den Abgeordneten meiner Fraktion, der Landesgruppe und den Bürgern wurde ich sehr offen empfangen. Nicht zu verschweigen ist dabei aber, dass man sich den Respekt der Menschen natürlich erst durch harte Arbeit verdienen muss.
Was kann man in Deutschland tun, um Studiengänge diverser zu gestalten?
Ich bin davon überzeugt, dass es nötig ist, dass wir Mädchen frühzeitig die Möglichkeit geben, mit MINT in Berührung zu kommen. So weckt man auch deren Begeisterung. Die Politik versucht hierbei mit Initiativen wie „Girl’s Day – Mädchen Zukunftstag“ oder „Klischeefrei“ sowie dem Programm „Erfolg mit MINT – Neue Chancen für Frauen“ zu unterstützen. Meiner Ansicht nach muss gerade das Schulfach Informatik gestärkt werden. Darüber hinaus sind natürlich auch die Hochschulen selbst gefordert. Interdisziplinäre Studiengänge können etwa ansprechender für Frauen sein. Studentinnen anderer Disziplinen sollten etwa im Erweiterungsbereich auch die Chance haben einen Blick über den Tellerrand hinaus, auch in technische Disziplinen zu werfen.
Was würden Sie Schülerinnen und Studentinnen mit auf den Weg geben?
Ich glaube, junge Frauen wissen heutzutage genau, wo sie hinwollen. Da sind sie nicht auf meine Ratschläge angewiesen. Deshalb kann ich sie nur ermutigen, mit vollem Elan ihre Ziele anzupacken und auch bei Schwierigkeiten beharrlich zu bleiben.